Die
Ideale (1795) |
So willst du treulos von mir scheiden
Mit
deinen holden Phantasien,
Mit deinen Schmerzen, deinen Freuden,
Mit
allen unerbittlich fliehn?
Kann nichts dich, Fliehende, verweilen,
O
meines Lebens goldne Zeit?
Vergebens! deine Wellen eilen
Hinab
ins Meer der Ewigkeit.
Erloschen sind die heitern Sonnen,
Die
meiner Jugend Pfad erhellt;
Die Ideale sind zerronnen,
Die einst
das trunkne Herz geschwellt;
Er ist dahin, der s٤e Glaube
An
Wesen, die mein Traum gebar,
Der rauhen Wirklichkeit zum Raube,
Was
einst so schšn, so gšttlich war.
Wie einst mit flehendem
Verlangen
Pygmalion den Stein umschlo§,
Bis in des Marmors kalten
Wangen
Empfindung glŸhend sich ergo§,
So schlang ich mich mit
Liebesarmen
Um die Natur, mit Jugendlust,
Bis sie zu athmen, zu
erwarmen
Begann an meiner Dichterbrust,
Und, theilend
meine Flammentriebe,
Die Stumme eine Sprache fand,
Mir wiedergab
den Ku§ der Liebe
Und meines Herzens Klang verstand;
Da lebte mir
der Baum, die Rose,
Mir sang der Quellen Silberfall,
Es fŸhlte
selbst das Seelenlose
Von meines Lebens Wiederhall.
Es
dehnte mit allmŠcht'gem Streben
Die enge Brust ein kreisend All,
Herauszutreten
in das Leben,
In That und Wort, in Bild und Schall.
Wie gro§ war
diese Welt gestaltet,
So lang die Knospe sie noch barg;
Wie
wenig, ach! hat sich entfaltet,
Dies Wenige, wie klein und karg!
Wie
sprang, von kŸhnem Muth beflŸgelt,
BeglŸckt in seines Traumes Wahn,
Von
keiner Sorge noch gezŸgelt,
Der JŸngling in des Lebens Bahn.
Bis
an des Aethers bleichste Sterne
Erhob ihn der EntwŸrfe Flug;
Nichts
war so hoch und nichts so ferne,
Wohin ihr FlŸgel ihn nicht trug.
Wie
leicht war er dahin getragen,
Was war dem GlŸcklichen zu schwer!
Wie
tanzte vor des Lebens Wagen
Die luftige Begleitung her!
Die Liebe
mit dem s٤en Lohne,
Das GlŸck mit seinem goldnen Kranz,
Der Ruhm
mit seiner Sternenkrone,
Die Wahrheit in der Sonne Glanz!
Doch,
ach! schon auf des Weges Mitte
Verloren die Begleiter sich,
Sie
wandten treulos ihre Schritte,
Und einer nach dem andern wich.
Leichtf٤ig
war das GlŸck entflogen,
Des Wissens Durst blieb ungestillt,
Des
Zweifels finstre Wetter zogen
Sich um der Wahrheit Sonnenbild.
Ich
sah des Ruhmes heil'ge KrŠnze
Auf der gemeinen Stirn' entweiht.
Ach,
allzuschnell, nach kurzem Lenze,
Entfloh die schšne Liebeszeit!
Und
immer stiller ward's und immer
Verla§ner auf dem rauhen Steg;
Kaum
warf noch einen bleichen Schimmer
Die Hoffnung auf den finstern Weg.
Von
all dem rauschenden Geleite
Wer harrte liebend bei mir aus?
Wer
steht mir tršstend noch zur Seite
Und folgt mir bis zum finstern Haus?
Du,
die du alle Wunden heilest,
Der Freundschaft leise, zarte Hand,
Des
Lebens BŸrden liebend theilest,
Du, die ich frŸhe sucht' und fand.
Und
du, die gern sich mir ihr gattet,
Wie sie der Seele Sturm beschwšrt,
BeschŠftigung,
die nie ermattet,
Die langsam schafft, doch nie zerstšrt,
Die zu
dem Bau der Ewigkeiten Zwar Sandkorn nur fŸr Sandkorn reicht,
Doch von
der gro§en Schuld der Zeiten
Minuten, Tage, Jahre streicht. |